8 Tipps für erfolgreiche Sommerferien mit unserem ADHS-Kind

Der letzte Schultag vor den Sommerferien: Ich unterhielt mich mit ein paar anderen Eltern vor dem Schulgebäude, während wir auf unsere Kinder warteten. Die Stimmung war ausgelassen. Alle sprachen über langes Schlafen, Ausflüge in die Umgebung, Strandurlaube, Besuche bei Verwandten. Es lag so viel Vorfreude in der Luft.

Ich lächelte und nickte – aber ehrlich gesagt: Die Sommerferien lagen mir wie ein Stein im Magen.

Klar, es gibt Dinge, die ich an den Ferien wirklich super finde: kein hektischer Morgen, keine Pausenboxen, kein Hausaufgaben-Stress. Aber ein Kind mit ADHS zu begleiten bedeutet oft: Was für andere Vergnügen und Freiheit ist, ist für uns Chaos, Widerstand und Stress.

Nehmen wir zum Beispiel das Thema Ausschlafen, das bei uns leider so gar nicht funktioniert. Egal, wann mein Sohn ins Bett geht, er ist immer super früh wach. Seine unruhigen Gedanken wecken ihn auf, und dann kann er nicht mehr still im Bett liegen. Um 5 Uhr morgens beginnt für ihn der Tag. Dann klettert er aus seinem Bett, stellt ein Hörspiel im Wohnzimmer an und springt auf seinem kleinen Trampolin. Und das auch in den Ferien.

Ein anderes Problem für meinen Sohn ist der Verlust seiner Routine in den Ferien. Ohne Schule fällt es ihm schwer, sich zu beschäftigen, vor allem, wenn das Wetter schlecht ist. Denn wenn er nicht draußen herumrennen oder stundenlang im Schwimmbad sein kann, weiß er nicht, wie er den Tag herumbekommen soll.

Trotz seines ständigen Bewegungsdrangs ist er nicht besonders abenteuerlustig. Neues macht ihm Angst, Lärm und Menschenmengen überfordern ihn. Selbst ein Urlaub kann ihn komplett aus der Bahn werfen. Jede Unterbrechung der Routine bringt ihn aus dem Takt.

Sechs Wochen ohne seinen gewohnten Ablauf sind für uns beide eine echte Herausforderung. Und das trifft auf viele Familien mit neurodivergenten Kindern zu.

Warum Sommerferien für ADHS-Kinder so schwierig sein können

Kinder mit ADHS – vor allem, wenn sie sich zusätzlich auf dem Autismus-Spektrum befinden – sind oft stark auf Struktur angewiesen. Und Schule bietet genau das: einen klaren Ablauf, vertraute Bezugspersonen, vorhersehbare Erwartungen.

Jedoch mit den Ferien fällt diese Struktur plötzlich weg. Statt Struktur gibt es nun unverplante Tage, neue Orte, laute Umgebungen, spontane Übergänge. Was für viele von uns nach Spaß aussieht – Freizeitparks, Poolpartys, oder Urlaube – kann für ein Kind mit empfindlichem Nervensystem schnell zu viel werden. Und für uns Eltern ist das oft frustrierend, verwirrend und einfach wahnsinnig anstrengend.

Was hilft? Acht Dinge, die unseren Sommer leichter machen können:

1. Eine tägliche Routine schaffen

Auch wenn keine Schule ist, tut ein fester Tagesablauf meinem Sohn gut: Aufstehen, Frühstück, Zeit draußen verbringen, gemeinsam lesen oder mit Lego spielen, Bildschirmzeit – immer in derselben Reihenfolge. Wir haben sogar einen visuellen Tagesplan mit Bildern und Kästchen zum Abhaken erstellt. Das gibt meinem Sohn Sicherheit und macht die Frage überflüssig, was er als nächstes machen soll.

2. Veränderungen früh ankündigen

Neue Aktivitäten, selbst schöne, lösen oft Stress und Widerwillen aus. Ich spreche schon mehrere Tage im Voraus Neues vorsichtig an; zeige Bilder im Internet, erkläre, was passieren wird, gehe den Ablauf mehrfach mit ihm durch. Wenn’s ihm trotzdem zu viel wird, ändern wir den Plan gemeinsam und überlegen uns Alternativen.

3. Passende Aktivitäten auswählen

Früher dachte ich, ich müsste ständig spannendes Programm bieten. Jetzt weiß ich: Vertrautes ist für meinen Sohn oft viel besser als ständig neue Situationen und Reize. Eine Runde mit dem Fahrrad im Park, ein Buch auf dem Sofa, ein Eis von unserem Lieblingsitaliener reichen oft völlig aus. Wir müssen nicht immer Außergewöhnliches planen, auch wenn ich den Druck spüre, als Mutter die Ferien besonders interessant und innovativ zu gestalten.

4. Überschaubare Entscheidungen anbieten

Zu viel Entscheidungsfreiheit kann meinen Sohn leicht überfordern. Zwei Wahlmöglichkeiten reichen ihm meistens vollkommen aus: „Willst du Fahrrad fahren oder mit Wasserballons spielen?“ So hat er in begrenztem Maße Kontrolle über unseren Tag, aber die Optionen sind sehr überschaubar und lähmen ihn nicht in seiner Entscheidungsfindung.  

5. Sanfte Übergänge gestalten

Von einer Aktivität zur nächsten zu wechseln ist schwer, vor allem wenn unsere Kinder gerade tief versunken in eine Tätigkeit sind. Countdowns und visuelle Timer können dabei helfen, Übergänge angenehmer und weniger dramatisch zu gestalten. Weiterhin sind spezifische Rituale wie ein bestimmter Snack oder ein Lieblingslied manchmal sehr erfolgreich. Klappt nicht immer, hilft aber oft.

6. Tägliche Bewegung fest einplanen

Wie schon mehrmals angedeutet hilft Bewegung meinem Sohn sich selbst zu regulieren. Beliebte Tätigkeiten bei uns sind Trampolin springen, reiten, Fahrrad fahren oder stundenlang im Freibad schwimmen. Sport macht ihn viel ausgeglichener und hilft auch gut beim Einschlafen.

7. Ruhephasen einbauen

Neben körperlicher Bewegung sind jedoch auch Ruhephasen sehr wichtig, damit sich mein Sohn erholen kann und nicht den ganzen Tag von einer Aktivität zur nächsten hetzt. Ruhephasen bedeutet für uns auch das Spielen von Minecraft für 30 Minuten, ein Hörspiel auf dem Sofa hören oder ein Bild malen. Oft sind die Ruhephasen mit entscheidend dafür, wie der restliche Teil des Tages verläuft.

8. Eigene Bedürfnisse nicht vergessen

Ein Sommer mit einem anspruchsvollen Kind kann sehr anstrengend sein. Daher ist es wichtig für mich als Mutter, meine Erwartungen herunterzuschrauben, um Hilfe zu bitten und mir kleine Auszeiten zu nehmen. Um etwas Zeit für mich zu haben, stehe ich regelmäßig früh auf und gehe joggen, treffe mich mit Freunden und spiele im Sommer viel Beach-Volleyball. Und wenn das nicht klappt, nutze ich wenigstens die kleinen Momente, in denen mein Sohn in einer Tätigkeit versunken ist, z.B. trinke ich dann eine Tasse Tee oder lese ein paar Minuten in einem Roman. Das hilft oft für die nächsten 1-2 Stunden.

Ein Sommer ganz speziell für unsere Familie

Unser Sommer ist womöglich etwas anders als bei anderen Leuten, aber so ist einfach die Realität. Es gibt Wutanfälle. Sehr frühes Aufstehen. Langeweile und oppositionelles Verhalten. Aber andererseits auch viel Nähe, Kreativität, kleine Abenteuer und überraschend schöne Momente miteinander.

Wenn wir aufhören, dem „perfekten Sommer“ nachzujagen, und anfangen, einen Sommer zu gestalten, der zu uns passt, wird vieles leichter.

Und an alle Eltern, die auf dem Schulhof freundlich gelächelt haben, während sie innerlich tief durchatmeten: Sommerferien können uns vor große Herausforderungen stellen. Aber wenn wir die kleinen Erfolge, die wir bei unseren Kindern sehen, zu schätzen wissen, kann der Sommer eine Zeit des Wachstums, der engen Beziehung zu unserem Kind und manchmal sogar des großen Glückes werden.

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