Warum wechselt mein Kind ständig seine Hobbys - und wie gehe ich damit um?
„Ich bin so genervt von meinem Sohn“, sagte neulich eine Mutter in einer meiner ADHS-Selbsthilfegruppen. „Er beginnt ein Hobby nach dem anderen, ohne jemals länger als ein paar Monate dabei zu bleiben. Wir haben so viele Sachen in unserem Haus, die er nicht mehr benutzt – Fußballschuhe, Inline-Skates, Pinsel, eine Staffelei und verschiedene Instrumente. Es ist alles so teuer, und dann wird es einfach nach ein paar Monaten in den Schrank geworfen und nicht mehr angeguckt.“
Als Mutter eines Sohnes mit ADHS kann ich das sehr gut nachvollziehen. Wir haben selbst schon eine ganze Reihe von Hobbys durchprobiert – ohne dass ein Ende in Sicht wäre. Es ist vor allem schwierig mit den sich ständig ändernden Zeiten klarzukommen, wenn ein Hobby ad acta gelegt wird und ein neues begonnen wird – ganz zu schweigen von den zusätzlichen Kosten, die z.B. durch die Anmeldung in einem neuen Fitnessstudio oder zu einem Malkurs entstehen.
Vor allem, wenn wir noch nicht viel Erfahrung mit ADHS haben, stellen wir uns oft die berechtigte Frage, warum unser Kind sich nicht einfach für ein Hobby entscheiden und dann dabeibleiben kann. Warum dieser ständige Sinneswandel?
Laut dem Psychiater und ADHS-Experten Dr. William Dodson ist das Nervensystem neurodivergenter Personen interessenorientiert und nicht auf die Wichtigkeit einer Aufgabe gerichtet. Wenn uns etwas interessiert, begeistern wir uns ungemein für ein Projekt, eine Frage oder ein Hobby und beschäftigen uns oft wie besessen mit einer Sache. Dieser Zustand wird auch Hyperfokus genannt – ein Zustand, in dem wir stundenlang verweilen können, ohne Hunger, Durst, Erschöpfung oder den Drang zu verspüren, auf die Toilette zu gehen. Wenn wir hyperfokussieren, existiert die Zeit nicht mehr und wir vergessen die Welt um uns herum.
Sich so intensiv auf etwas Neues konzentrieren zu können ist eine fantastische Gabe und bringt viel Positives mit sich. Wir eignen uns oft in nur wenigen Wochen ungeheuer viel neues Wissen an und können nicht genug Fakten in uns aufsaugen. Wir holen uns stapelweise Bücher aus der Bibliothek, hören Podcasts, suchen im Internet nach interessanten Webseiten oder schauen uns zahlreiche YouTube-Videos an. Wir vertiefen uns so sehr in ein Thema, dass wir im Handumdrehen zu Experten werden und nicht selten in der Lage sind, ein Projekt in Rekordzeit mit außergewöhnlichen Ergebnissen abzuschließen.
Die Kehrseite unseres intensiven Hyperfokus ist jedoch die Tatsache, dass er nicht allzu lange vorhält. Plötzlich lässt unsere Begeisterung nach und wir verlieren das Interesse. Letztendlich geben wir unser neues Hobby genauso schnell auf, wie wir es begonnen haben. Wir lassen viele unvollendete Projekte, verärgerte Trainer oder frustrierte Eltern hinter uns zurück, die gerade unsere einjährige Mitgliedschaft im Fitnessstudio bezahlt haben, nur um dann festzustellen, dass wir nach nur zwei Monaten keine Lust mehr auf das Studio haben.
ADHD Specialist erklärt den sich immer wiederholenden Zyklus von unserem Hobbysammeln folgendermaßen: Zuerst ist da die Neugier, die uns dazu anhält, einem bestimmten Interesse nachzugehen, gefolgt von unserer unbändigen Begeisterung, die sich in dem Drang äußert, ununterbrochen mit Freunden und Familienmitgliedern über unser Interesse zu sprechen. Als nächstes erleben wir eine große Freude und Befriedigung, wenn wir das Hobby ausüben – was sozusagen den Höhepunkt des Zyklus darstellt –, bevor wir uns nach und nach zu langweilen beginnen und schließlich das Hobby wieder aufgeben, ohne jedoch das vertraute Muster dieses Zyklus zu durchschauen (Verleugnung). Es ist ein Kreislauf, der sich oft viele Male wiederholt und der bei uns selbst zunehmend zu Ärger, Frustration und manchmal sogar Verzweiflung darüber führen kann, dass wir nicht in der Lage sind, über einen längeren Zeitraum einem Hobby nachzugehen. Denn der Wechsel von einem Hobby zum nächsten bedeutet auch, dass wir keine Sache wirklich gut beherrschen, sondern dass wir immer dann aufhören, wenn wir endlich an einem Punkt angelangt sind, an dem wir wirkliche Fortschritte machen. Warum können wir nicht bei einer Sache bleiben?
Wie bereits erwähnt, sind ADHS-Gehirne interessenorientiert – wir konzentrieren uns auf Dinge, die für uns persönlich von Interesse sind, wodurch sich der Dopaminspiegel in unserem Gehirn erhöht. Dopamin ermöglicht es uns, uns so zu motivieren, so dass wir uns auf eine Aufgabe einlassen und diese über einen längeren Zeitraum verfolgen können. Doch abgesehen von persönlichen Interessen sehnt sich unser Gehirn auch nach neuen Stimulationen – einer weiteren Möglichkeit, um mehr Dopamin zu produzieren. Wenn also ein Hobby von uns langsam seinen Reiz verliert, sind wir schnell dabei, das Alte zu verwerfen und uns Neuem zuzuwenden, das wir als aufregender begreifen. Wie sollten wir also als Eltern auf solch scheinbar unberechenbares Verhalten reagieren?
Geduld haben:
Wie uns Jessica McCabe, die den sehr erfolgreichen YouTube-Kanal „How to ADHS“ betreibt, versichert, kehren wir nach einer Weile oft wieder zu alten Hobbys zurück. Sobald wir sie eine Zeit lang ruhen lassen, werden sie plötzlich wieder attraktiv für uns und wecken erneut unser Interesse. Wenn wir als Eltern also in teure Sportausrüstung, zahllose Stricknadeln oder jede Menge Bücher über Astronomie investiert haben, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass diese Investition nicht umsonst war, sondern dass das Interesse für ein bestimmtes Hobby bei unseren Kindern wieder zurückkehrt. Möglicherweise gehen unsere Kinder einer Vielzahl unterschiedlicher Hobbys nach, aber landen immer wieder – in Phasen – bei altbekannten Aktivitäten.
Unsere Kinder immer wieder ermutigen:
Wenn unser Kind mal wieder für ein neues Hobby brennt, sollten wir es so gut wir können darin unterstützen. Wir wissen, dass Selbstzweifel und ein geringes Selbstwertgefühl für viele ADHS-ler zu ihrem Alltag gehören, da sie im Leben viele vermeintliche Misserfolge und Niederlagen erleben. Somit ist Ermutigung so wichtig, um unseren Kindern zu verdeutlichen, wie sehr wir ihr neues Interesse zu schätzen wissen und wie viele positive Aspekte mit diesem neuen Interesse einher gehen.
Gemeinsamkeiten der verschiedenen Hobbys herausfinden:
Vielen neurodivergenten Menschen geht es am besten, wenn sie etwas finden, für das sie sich wirklich begeistern können – auch wenn diese Dinge immer in ständigem Wandel begriffen sind. Die Frage ist für uns Eltern, ob wir womöglich Gemeinsamkeiten zwischen diesen verschiedenen Hobbys feststellen können, die uns mehr Aufschluss über die Interessen unseres Kindes geben. Oder ist es uns möglich ein Hobby für unser Kind zu finden, das genug Abwechslung bietet, damit es nicht langweilig wird?
Grenzen setzen, wenn das Hobby zu einem kostspieligen Unterfangen wird:
Wir müssen Grenzen setzen, wenn wir das Gefühl haben, dass die Dinge aus dem Ruder laufen. Wenn eine Aktivität oder ein Hobby einfach viel zu teuer ist, ist es wichtig, mit unserem Kind ein Gespräch zu führen und ihm zu erklären, warum sein momentanes Interesse im Moment bei uns keinen Anklang findet. Die Erziehung eines neurodivergenten Kindes kann eine große Herausforderung sein und wir müssen sicherstellen, dass wir gut auf unser eigenes Wohlergehen achten. Wenn wir uns von den wechselnden Interessen unseres Kindes überfordert fühlen, müssen wir handeln und eine gute Lösung für alle Beteiligten finden.
Hobbys und Interessen sind für unsere Kinder eine großartige Möglichkeit, etwas über die Welt zu lernen, ihre Leidenschaften zu entdecken und ihnen nachzugehen und mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Und auch wenn der ständige Wunsch, das Hobby zu wechseln, manchmal Schwierigkeiten mit sich bringt, ist es wichtig, dass wir unsere Kinder so gut wir können unterstützen. Denn auch wenn wir das ständige Wechseln der Hobbys nicht gut finden, können unsere Kinder doch viel über sich selbst lernen. Und das kann eine unschätzbare Erfahrung sein, wenn es um ihren weiteren Lebensweg geht.