ADHS und das Mikrobiom: Was die Forschung bis jetzt über die Verbindung von Darm und Gehirn weiß
Disclaimer: Ich bin weder Ärztin noch forsche ich professionell zu medizinischen Themen. Die hier geteilten Gedanken beruhen auf meinen persönlichen Erfahrungen und meiner eigenen Recherche als interessierter Laie. Sie sollen informieren und zur eigenen Reflexion oder Recherche anregen, aber ersetzen keine medizinische Beratung. Bei gesundheitlichen Fragen ist es daher notwendig, eine qualifizierte Fachperson zu Rate zu ziehen.
Als Mutter eines neurodivergenten Sohnes habe ich in den letzten Jahren vieles ausprobiert, um meinem Sohn dabei zu helfen, gut durchs Leben zu kommen. Nach eingehender Recherche, dem Lesen unzähliger Bücher und den Gesprächen mit vielen Fachpersonen ernährt sich meine Familie seit vielen Jahren überwiegend pflanzlich. Wir orientieren uns an US-amerikanischen Ärzten wie Michael Greger, Neal Barnard, Joel Fuhrman und Dean Ornish, die alle eine vollwertige, pflanzliche Ernährung empfehlen. In den USA waren wir sogar Patienten bei etlichen Ärzten, die einen solchen Lebensstil aktiv unterstützten und damit in ihrer Praxis warben. Jedoch ist es mir durchaus bewusst, dass nicht alle Menschen eine überwiegend pflanzliche Ernährung befürworten – und das ist völlig in Ordnung. Ich möchte niemanden bekehren, sondern einfach unsere persönliche Erfahrung beschreiben, die für uns viele überaus positive gesundheitliche Verbesserungen in unserem Leben mit sich gebracht hat.
Da ich generell sehr viel über Ernährung und neue medizinische Erkenntnisse lese, bin ich im letzten Jahr immer wieder auf Studien gestoßen, die den Zusammenhang zwischen dem Darmmikrobiom und neurokognitiven Prozessen beschrieben. Besonders spannend fand ich die Dokumentation The Gut-Brain Solution von Goodness Lover (goodnesslover.com/de/products/the-gut-brain-solution), die ich mir mit großem Interesse angesehen habe. Dort wird ganz klar der Zusammenhang zwischen einem gesunden Mikrobiom des Darmes und unserer körperlichen wie auch geistigen Gesundheit herausgestellt, was bei mir sofort folgende Frage hervorgerufen hat: Könnte es einen Zusammenhang zwischen ADHS und unserem Mikrobiom geben? Was sagt die Forschung zu diesem Thema? Gibt es Studien, die einen Zusammenhang belegen?
Im Folgenden nun einen kurzen Überblick über meine bisherige Recherche zu diesem sehr komplexen Themenfeld:
ADHS und das Mikrobiom: Was sagt die Forschung
Wir alle haben bestimmt schon des öfteren gelesen, dass der Darm als unser zweites Gehirn bezeichnet wird und nicht selten unsere Stimmung und unsere geistige Tätigkeit direkt beeinflussen kann. Diese Verbindung existiert tatsächlich, aber sie ist vielschichtig. Die neuere Forschung zeigt, dass Darm und Gehirn über Immun-, Stoffwechsel-, Nerven- (Vagusnerv, enterisches Nervensystem) und hormonelle (endokrine) Signalwege ständig miteinander kommunizieren. Eine Übersichtsarbeit beschreibt dieses Phänomen folgendermaßen: “[t]he term ‘gut-brain axis’ has been coined to describe the bidirectional communication between the gut microbiome and the central nervous system (CNS).” Was bedeutet das nun speziell für ADHS?
Interessanterweise zeigen wissenschaftliche Studien, dass Kinder und Erwachsene mit ADHS oft Unterschiede in der Zusammensetzung ihres Darmmikrobioms aufweisen – im Vergleich zu Personen ohne ADHS. Eine systematische Übersichtsarbeit kam zu dem Schluss, dass “[p]atients with ADHD had gut microbiome alterations compared to healthy controls” schränkte jedoch ein, dass “further studies with strict methodology are warranted.”
Forscher nehmen an, dass es bestimmte Mechanismen wie entzündungsbedingte Veränderungen, veränderte Vorstufen von Neurotransmittern oder abweichende Profile kurzkettiger Fettsäuren gibt, die unsere Aufmerksamkeit und Verhalten beeinflussen können. Doch die Ergebnisse sind uneinheitlich, da sich die bis jetzt durchgeführten Studien stark in Bezug auf Alter, Ernährung, Medikation und Herkunft der Probanden unterscheiden. Auch sind die angewandten Laborverfahren oft unterschiedlich. Somit lässt sich festhalten, dass es spannende Ansätze gibt, die auf einen Zusammenhang zwischen ADHS und dem Darmmikrobiom hindeuten, aber bis jetzt noch keine allgemeingültigen wissenschaftlichen Ergebnisse vorliegen.
Spielt Ernährung eine Rolle?
Wissenschaftliche Forschung zur Ernährung zeigt, dass die Qualität unserer Nahrung entscheidend ist. Eine große Beobachtungsstudie fand heraus, dass “[c]hildren who ate more fruits and vegetables had less severe symptoms of inattention from ADHD than children who ate more foods higher in saturated fat, sodium and added sugars.” Das beweist zwar noch keine Kausalität, stützt aber die Annahme, dass vollwertige, nährstoffreiche Lebensmittel sowohl dem Gehirn als auch dem Mikrobiom guttun.
Wie sieht es mit einer pflanzenbasierten Ernährung aus?
Einige Kohortenstudien deuten darauf hin, dass eine pflanzliche Ernährungsweise mit einer geringeren ADHS-Prävalenz einhergeht – möglicherweise aufgrund besserer Nährstoffe und einer positiveren Beeinflussung der Darmflora. Eine Meta-Analyse kam zu dem Schluss, dass “[a] dietary pattern highly loaded with vegetables, fruits, legumes and fish has decreased the odds of ADHD up to 37%.” Doch auch hier gilt: Die meisten Daten sind rein beobachtender Natur und nicht experimentell. Es gibt noch keine wissenschaftlichen Studien, die beweisen, dass eine rein pflanzliche Ernährung ADHS-Symptome zuverlässig reduziert.
Probiotika und Nahrungsergänzungsmittel
In Bezug auf Probiotika und Nahrungsergängzungsmittel gehen die Meinungen auseinander. Einige kleinere Studien (auch teilweise an Kindern durchgeführt) untersuchten bestimmte Probiotika-Stämme, die zur zusätzlichen Unterstützung bei ADHS verabreicht wurden, mit teils positiven Ergebnissen. Eine aktuelle Übersichtsarbeit fasst zusammen, dass “[o]ne study reported improvements in inattention, while another found benefits in hyperactivity. … the evidence remains inconsistent.”
Probiotika können also durchaus manchen Menschen helfen, sind aber kein Ersatz für eine Therapie, Coaching oder – falls nötig – Medikation. Besonders bei der Vergabe von Probiotika an Kindern oder bei gleichzeitiger Medikamenteneinnahme sollte die Einnahme immer mit einer Fachperson besprochen werden.
Praktische Empfehlungen für Familien und Erwachsene mit ADHS
Vollwertkost: Vollwertkost ist kein Allheilmittel, aber nährstoffreiche, unverarbeitete Lebensmittel tun unserem Körper gut.
Ballaststoffe erhöhen: Mehr Gemüse, Hülsenfrüchte, Vollkorn – wenn möglich, sollten wir weniger stark verarbeitete Produkte zu uns nehmen.
Probiotika bewusst einsetzen: Es ist empfehlenswert, nur bereits gut erforschte Probiotik-Stämme zu verwenden, dann die Reaktion unseres Körpers darauf genau zu beobachten und auf alle Fälle Fachpersonen mit einzubeziehen.
unser Lebensstil zählt: Der Darm ist ein Puzzleteil unseres Körpers; neben unserer Darmgesundheit spielen ausreichend Schlaf, Bewegung, Stressreduktion, eine gute Tagesroutine und ggf. Medikation ebenfalls eine wichtige Rolle.
Natürlich sind dies alles Punkte, die gerade bei ADHS nicht leicht umzusetzen sind. Meistens fühlen wir uns schon von unserem Alltag überfordert, so dass wir es fast unmöglich finden, unsere Ernährung umzustellen, an ein Probiotikum zu denken oder wir schlagen uns mit Schlafstörungen herum. Das ist jedoch eine Problematik, die nicht Thema dieses Blogartikels sein soll, aber in anderen Artikeln von mir näher behandelt wird, z.B. in 8 Tipps, die dir bei der Planung deiner Mahlzeiten helfen können oder 15 Dinge, die du gegen Schlaflosigkeit tun kannst.
Fazit
Die Forschung zur Verbindung zwischen Mikrobiom und ADHS ist vielsprechend, steckt aber noch in den Kinderschuhen. Es gibt einige plausible biologische Zusammenhänge und spannende kleinere Studien, doch es fehlen große, klinische Untersuchungen mit eindeutigen Ergebnissen.
Eine pflanzenbetonte Ernährung, regelmäßige Bewegung, erholsamer Schlaf und der achtsame Umgang mit bewährten Nahrungsergänzungsmitteln, wie z.B. Probiotika (in Absprache mit Fachleuten) sind derzeit die sinnvollsten und risikoärmsten Wege, sowohl Darm als auch Gehirn zu unterstützen.
Wenn ich dir auf deinem Weg helfen kann, melde dich jederzeit, und wir sprechen miteinander!
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